Vom Hölzchen aufs Stöckchen?

Vom Hölzchen aufs Stöckchen?

In drei Schritten zum perfekten Aufbau eines Blogartikels

Wie behalte ich den roten Faden? Ich bin so in meiner Welt verhaftet, ich verliere ihn manchmal aus dem Blick.“ Der Aufbau eines Blog-Artikels ist das Thema. Viele Kunden haben mich schon darauf angesprochen, so auch mein Gesprächspartner: Es ist ihm ein ehrliches Bedürfnis, nützliche und lesenswerte Inhalte zu veröffentlichen. Doch wie gelingt ihm das, wenn gerade so richtig in Schwung ist und in seiner Begeisterung vom Weg abkommt?

Die Frage ist gut und wichtig:

Mit einer klaren Struktur liest sich dein Artikel leichter. Zugleich zeigst du mit einem schlüssigen Aufbau, dass du inhaltlich in Sattel sitzt und routiniert zu deinem Thema sprechen oder schreiben kannst.

So kommst du zum perfekten Aufbau eines Blogartikels:

Deine Haltung und Erwartung wirken

Ein erfolgreicher Blog lebt davon, dass der Betreiber etwas erzählen will. Im besten Fall hat er eine Botschaft oder eine Mission. So viel Energie ist großartig und unbedingt unterstützenswert! Wenn du dich angesprochen fühlst, solltest du deinen Enthusiasmus nur noch in den richtigen Kanal lenken, damit du in deinem Enthusiasmus nicht an deinen Lesern vorbeischießt.

Bist du mit deinem Fokus bei deinem Leser …

Gemeint ist dies: Aufgabe eines Business Blogs ist, deine Leser mit dir und deiner Arbeit bekannt zu machen. Zugleich willst du erreichen, dass sie sich für dich entscheiden und dich beauftragen.

Versuche also, dein Business aus der Sicht deiner Kunden zu betrachten: Welche Fragen haben sie? Was müssen sie vorab wissen? Welchen Fehlern sitzen sie immer wieder auf? Weshalb suchen sie Lösungen immer wieder am falschen Ende?

Stelle dir nun ein Kennenlerngespräch mit einem Neu-Kunden vor. Er stellt eine Frage, du antwortest. Vielleicht gibst du ihm zwischendurch einen Tipp und antwortest auf die nächste Frage, und so weiter. Mit deiner Aufmerksamkeit bist du bei deinem Kunden. Du möchtest, dass er zufrieden aus dem Gespräch geht. Deshalb konzentrierst du dich auf ihn.

… oder bei dir?

Alleine am Schreibtisch kann es passieren, dass der Fokus bei dir, dem Autor liegt. Du bist versucht, zu erzählen, was du interessant findest.

Der serviceorientiert Vier-Augen-Modus hilft dir weiter: Indem du in Gedanken Kundenfragen beantwortest, gehst du Schleifen und Wendungen aus dem Weg. Deine persönliche Botschaft kommt dennoch an, denn du antwortest immer aus deiner Sicht. Keine Sorge also, dass dein Weltbild oder deine Mission auf der Strecke bleibt.

Mit etwas innerer Distanz zu deinem Blogartikel ist es einfacher, den Aufbau zu planen.

Du schaust gewissermaßen von oben darauf und bist persönlich weniger verwickelt. Dies führt zu einem weiteren positiven Effekt: Mit einem kleinen bisschen Abstand fühlst du dich weniger angreifbar, wenn jemand an deinem Artikel herumnörgelt.

Der positive Subtext eines klaren Aufbaus

Zwischen dem Schreiben und der persönlichen Begegnung gibt es Parallelen – und Unterschiede:

  • Beim Schreiben kommunizierst du in eine Richtung. Falls dein Leser aussteigt, weil er etwas nicht versteht, hast du keine Chance, ihn zurückzuholen. Dein Blogartikel muss ohne dich auskommen. Ein klarer Aufbau hilft dir in dieser Frage: Er sorgt für Verständlichkeit.
  • In der persönlichen Begegnung senden und empfangen wir viele Signale, über die Worte hinaus. So kannst du an der Gestik und Mimik deines Gegenübers ablesen, wie sicher er sich mit seinem Thema fühlt. Sicherheit wirkt vertrauenswürdig. Bei einem unsicheren Sprecher wirst du hellhörig.

Diese Begleitinformation fehlt deinem Blogartikel. Als Ersatz bietet sich eine klare Struktur an: Kannst du dein Thema organisieren, hast du es gründlich durchdacht. Punkt für dich.

Die Struktur ist wichtiger denn je

Vor einiger Zeit fiel mir ein Sachbuch von 1940 in die Hand. Darin zu lesen, war eine Erfahrung: Wie viel Zeit sich der Autor genommen hat, um seine Gedanken zu entwickeln! Heute sind wir ein anderes Tempo gewohnt. Ich bin richtig kribbelig geworden – was mich als Kind meiner Zeit ausweist. Schnelle Schnitte und verdichtete Informationen sind üblich.

Mit einem geradlinigen Aufbau beschleunigst du das Tempo deines Artikels. Du sorgst dafür, dass dein Leser zügig zum Fazit und damit zum Höhepunkt deines Artikels kommt.

Drei typische Muster für den Aufbau eines Blogartikels

Die Tippliste

Stell dir die Tippliste als eine Kreuzfahrt mit einem Ausflugsdampfer vor: Du bist der Kapitän und bringst deine Passagiere zu den Höhepunkten deines Reisegebiets.

Tipplisten versprechen schnelle, leicht lesbare und nützliche Informationen. Deshalb sind sie seit Jahren beliebt und bleiben in Mode. Denk doch mal über Highlights deines Fachgebiets nach.

Die Story

Mit einer Story öffnest du deinem Leser die Augen für etwas, das er vielleicht schon tausendmal gesehen, aber nie verstanden hat. Um im Reisebild zu bleiben: Bei einer Story bist du Reiseführer und enthüllst die Geheimnisse einer Sehenswürdigkeit.

Für den Aufbau eines Blogartikels bietet sich als Reihenfolge an:

  • Steige mit einer Geschichte ein. Deine Kunden bleiben anonym, wenn du mit offensichtlich fiktiven Figuren wie „Frau Freundlich“ oder „Herrn Hektisch“ arbeitest. So wird deutlich, dass du eine typische, jedoch keine individuelle Szene wiedergibst.
  • Gehe im zweiten Abschnitt zu den Hintergründen über: Wie lässt sich das, was du gerade erzählt hast, fachlich einordnen?
  • Im dritten Abschnitt ist Platz für deinen Kommentar: Was bewegt dich an der Geschichte? Was findest du beeindruckend, berührend, ärgerlich, erstaunlich oder faszinierend? Welche Folgen siehst du für die Beteiligten? Lass es deine Leser wissen.
  • Gib im vierten Abschnitt einen Tipp oder schließe mit einem Fazit.

Die Entdeckungsfahrt

Mit einer Entdeckungsfahrt führst du deinen Leser an einen Ort, den er alleine nie aufsuchen würde. Du bist so etwas wie ein Expeditionsleiter.

Versuche es einmal mit folgendem Aufbau:

Worum geht es?
Steige mit etwas ein, das an der Oberfläche liegt und von allen gesehen wird.

Worum geht es wirklich?
Was liegt dahinter? Worin liegen die Bedeutung und die Tragweite deines Themas? Was hat dein Leser mit dem Thema zu tun?

Das muss dein Leser wissen
Erläutere, was dein Leser zum Verständnis braucht.

Vorsicht, Fehler!
Was geht häufig schief? Worüber kann dein Leser stolpern?

Vorteile
Welchen Benefit siehst du für deinen Leser? Nicht immer gibt es einen, doch es ist schön, wenn du einen ausmachen kannst. Bis hierher hast du deinen Leser tief in dein Thema eingeführt und auch die dunklen Stellen ausgeleuchtet. Wenn du ihm jetzt etwas Positives mitgibst, gibt das deinem Blogartikel einen schönen Schwung.

Tipp / Fazit
Schließe deine Artikel mit einem Tipp oder einem Fazit ab.

Bedenke auch die visuelle Umsetzung deiner Struktur

Gib deinem Artikel mit Überschriften und Zwischenüberschriften eine logische Struktur. Die visuelle Gliederung hilft deinem Leser, sich zu orientieren. Zugleich kannst du anhand deiner Gliederung testen, wie gut du dein Thema aufgebaut hast.

Meine Kollegin Manuels Seubert hat einen tollen Artikel dazu geschrieben:
Grafisch schreiben: 6+1 Tipps gegen Fließtext-Langeweile

So organisierst du dich

  1. Mindmap

Bestimmt hast du eine Idee, worüber du schreiben willst. Nimm ein Blatt Papier oder öffne dein Programm und schreibe deinen Kernbegriff in die Mitte. Gruppiere deine Ideen darum herum.

Mach dir klar, was für ein Stück du schreiben und welche Botschaft du transportieren möchtest: Wie lautet dein Fazit? Was sollte dein Leser mitnehmen, wenn er sich auf einen Satz beschränken müsste?

Schau jetzt noch einmal auf deine Mindmap: Welche Teile brauchst du, um dein Fazit aufzubauen und zu erklären? Nimm diese Ideen mit und spare dir die übrigen für eine neue Gelegenheit auf.

  1. Entwurf

Schreibe nun deinen Artikel in einem Rutsch herunter. Du wirst krumme Sätze formulieren, Fehler tippen und Wortwiederholungen einbauen. Alles egal. Versuche einfach, deinen Gedanken einmal aufzuschreiben.

Ein kleines bisschen Zeitdruck schadet übrigens nicht. Er hilft dir, dich besser zu fokussieren.

  1. Korrektur

Nimm dir nun die Korrektur vor: Verschwurbelte Sätze, schiefe Bilder und Passivsätze sortierst du jetzt aus. Du kannst dir übrigens vom Duden helfen lassen: Der Service weist dich auf sprachliche Unebenheiten hin.

Kommst du so zurecht? Ich wünsche dir viel Erfolg!

Vollständige Neubearbeitung eines Artikels vom 6. November 2017


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Pressearbeit: Fünf Dinge, die du wissen solltest

Pressearbeit: Fünf Dinge, die du wissen solltest

Das Geheimnis erfolgreicher Pressearbeit in drei Minuten.

Es gibt diese Posts, die lassen mir die Haare zu Berge stehen.

Dieses Mal ging es um eine Einladung zu einem Webinar über Pressearbeit. Der Gastgeber hat sich einen Experten eingeladen, damit dieser die Fragen der Teilnehmenden beantwortet. So weit, so gut.

In der Einladung entwirft der Gastgeber ein verlockendes Szenario: Wäre es nicht toll, wenn du dich in der Süddeutschen, der FAZ, im Handelsblatt, der Vogue oder der Freundin wiederfinden würdest? Du glaubst, du schaffst das nur mit den richtigen Kontakten? Ha! Unser Experte zeigt dir, wie auch du den Weg in die Redaktion schaffst.

Da wird eine ganze Menge suggeriert und viel Wichtiges ausgelassen.

Der arme Experte! Der freudigen Erwartung seines Publikums wird er einen gehörigen Dämpfer versetzen müssen.

Was darfst du von Pressearbeit erwarten?

Ob du Telefon-Akquise betreibst, Content-Marketing oder Pressearbeit: Alles ist mit Aufwand verbunden. Als Selbstständiger hast du im Allgemeinen begrenzte Ressourcen. Wo setzt du sie am geschicktesten ein? Erreichst du mit Pressearbeit deine bevorzugten Kunden am besten?

Sich selbst in einer großen Publikation wie der Süddeutschen oder der Vogue vertreten zu sehen, schmeichelt der Eitelkeit ungemein. Doch lass dich nicht einwickeln: Selbst wenn es dir gelingt, mit einem Beitrag in ein solches Blatt zu kommen: Einmal ist keinmal.

Echt. Habe ich ausprobiert. Einmal war ich mit einem Beitrag in der Brigitte Woman.

Das Ergebnis: Kein einziger Kunde hat sich bei mir gemeldet. Dafür haben mich Leute angeschrieben, die sonst wenig Notiz von mir nehmen: Wie ich das denn geschafft hätte und ob ich eine Connection herstellen könne.

Meine Mutter war furchtbar stolz auf mich – und das war ehrlich das Beste an allem.

Wenn andere Wege aussichtsreicher sind, nutze diese.

Weshalb Pressearbeit meist ein Teil des Kommunikationsmix ist

Kunden buchen dich nicht deshalb, weil sie einmal irgendwo eine Presseveröffentlichung von dir lesen. Bevor jemand Kunde von dir wird, muss er deinen Namen lernen. Er muss verstehen, was du anbietest und wie du ihm hilfst. Das Vertrauen muss stimmen und überdies der Zeitpunkt. Bis das alles zusammen kommt, geht im Allgemeinen eine Menge Zeit ins Land und es braucht mehrere Sichtkontakte.

Wenn du deinen Fokus allein auf Pressearbeit setzt, musst du dafür sorgen, regelmäßig in einer Publikation zu erscheinen. So etwas gibt es, etwa dann, wenn du eine Kolumne schreibst. Die Plätze sind jedoch rar.

Mit einzelnen, punktuellen Beiträgen hast du demgegenüber einen eher schwachen Stand: Die verantwortliche Redaktion ist an einem ausgewogenen Mix an Gastautoren interessiert. Andernfalls muss sie sich fragen lassen, wie es um ihre Unabhängigkeit bestellt ist.

In einer ausgewählten Publikation kommst du mit einzelnen Beiträgen nur gelegentlich zum Zug. Daher ist die Pressearbeit bei Selbstständigen im Normalfall ein Teil des Kommunikationsmix. Ein wertvoller Teil. Die Krönung, wenn du so willst, denn sie hebt deine Glaubwürdigkeit und dein Ansehen an. Dennoch bleibt sie ein Teil.

Pressearbeit ist die Krönung in deinem Kommunikationsmix. Nicht jedoch der Körper.

So bitte nicht!

Dennoch willst du in die Presse? Nicole Basel von der Zeitschrift impulse hat in einem Newsletter einmal die Sicht einer Redaktion vorgestellt. Ziemlich erhellend: 5 Wahrheiten über Journalisten .

Wie funktioniert das nun mit der Pressearbeit?

Hier eine Anleitung en miniature für alle, die ihre Kommunikation selbst gestalten:

  • Frage dich zuerst: Wer sind deine besten Kunden? Gibt es eine Zeitung oder ein (Fach-) Magazin, das deine Kunden regelmäßig lesen? Möglichst mit hohem Ansehen? Sogar mehrere? Hervorragend! Schreib dir diese Namen auf.
  • Schau dir die ausgewählten Publikationen an: Wer sind die jeweiligen Leser? Welche Beiträge kommen zum Zuge und wie werden sie aufgearbeitet? Welche Stimmung und welcher Tonfall herrscht vor?
  • Wie passt du mit deinem Fach in die ausgewählte Publikation hinein? Hast du eine Idee für einen attraktiven Beitrag?
  • Schau dich auf der Webseite deiner Publikation um und finde deinen Ansprechpartner / deine Ansprechpartnerin. Im Impressum wirst du meist fündig. Bei Fachmagazinen gibt es häufig sogar „Informationen für Autoren“. Gleichwie: Such dir eine Person und gib dich nicht mit einer „info@…“-Adresse zufrieden.

Entwirf eine E-Mail etwa in diesem Sinne:

Guten Tag,

ich möchte Ihnen einen Beitrag über … anbieten.

Den Aufbau und den Inhalt habe ich mir so vorgestellt: ….

Ich glaube, der Beitrag ist für Ihre Leser*innen interessant, weil …

Ich bin, … (Schreibe etwas darüber, was dich für deinen Beitrag qualifiziert).

Wenn Ihnen meine Idee zusagt, freue ich mich über Ihre Antwort.

Herzliche Grüße

Zwei Tipps noch:

  • Wenn deine Idee auf positive Resonanz stößt, meldet sich jemand, und zwar zügig.
  • Achte auf Artikelvorschläge mit hohem Bezug zur Praxis. Weniger attraktiv ist Fachsimpelei oder „Besinnungsromane“. Das Wort hat einmal eine Redakteurin in einem Telefongespräch mit mir angebracht.

Thema Connections

In meiner ersten Zeit als Selbstständige habe ich als PR-Beraterin gearbeitet und Fachartikel auf den Weg gebracht. Mit dem Konzept, wie oben beschrieben, bin ich gut gefahren. Auch als unbekannte Stimme lässt sich so Aufmerksamkeit wecken.

Wenn du im Lauf der Zeit gute Verbindungen in eine Redaktion knüpfst, ist das natürlich noch viel besser. Im Postfach eines Redakteurs oder einer Redakteurin gehen täglich ungezählte E-Mails ein. Wenn ein bekannter Absender dabei ist, fällt der natürlich positiv auf.

Pressearbeit hat viel Ähnlichkeit mit Content-Marketing: Achte darauf, im Sinne der Redaktion serviceorientiert zu denken und entsprechende Angebote zu machen. Auf lange Sicht wird es leichter: Denn dann kennt und vertraut man sich und die Chancen steigen, dass die Redaktion umgekehrt bei dir anklopft und einen Artikel anfragt.

Gute Pressearbeit ist zu einem großen Teil Beziehungsarbeit. 

Angefangen hat dieser Artikel mit deinem Namen in der FAZ. Was für eine reizvolle Aussicht! Und jetzt? Bei mir hört sich alles viel weniger großartig an. Ich weiß. Ich finde jedoch, es ist wichtig, die Karten auf den Tisch zu legen und nichts zu versprechen, das sich nicht halten lässt. Deine Zeit ist wertvoll.

Ich wünsche dir viel Erfolg!


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Wie hältst du es mit dem Gendering?

Wie hältst du es mit dem Gendering?

Vier Wege zu einer genderneutralen Sprache und ein Plädoyer für sprachliche Sorgfalt.

„Gästin, also wirklich!“, empört sich meine Freundin, „der Plural von ‚Gästin‘ ist übrigens ‚Gästininnen'“, und setzt noch einen drauf: „Bei der Bundeswehr wehren sich Soldatinnen dagegen, zu Hauptfrauen befördert zu werden.“ Der Versuch, politisch alles richtigzumachen, treibt zuweilen merkwürdige Blüten.

Um das Gendering drücke ich mich schon lange herum. Dabei geht es um etwas Wichtiges: Die Sprache prägt unser Weltbild. Sie entwirft Bilder, wer wir sind und wer wir zu sein haben. Wenn Menschen wie ich nicht an die Kraft der Sprache glauben, wer sonst?

Gut lesbare Texte mag ich allerdings auch. Eine Legasthenikerin berichtete von ihren Schwierigkeiten, mit genderneutralen Formen umzugehen. So geht das manchmal: Die gendergerechte Sprache schließt viele ein und manche aus.

Welche Möglichkeiten hast du? Hier sind vier Wege, mit dem Gendering in Texten umzugehen:

Variante #1: Gendering mit Zeichen

Das Gendering mithilfe von Buchstaben und Zeichen ist weit verbreitet. Du findest diese Varianten:

  • Künstler und KünstlerIn
  • Künstler und Künstler*in
  • Künstler und Künstler/in
  • Künstler und Künstler-in
  • Künstler und Künstler(in)
  • Künstler und Künstler:in

Von allen Varianten ist die mit dem Doppelpunkt die empfehlenswerteste, denn sie ist weitgehend barrierefrei: Sprach-Ausgabe-Programme übersetzen den Doppelpunkt mit einer kleinen stimmlosen Pause, einem Glottischlag.

Der Doppelpunkt schließt Männer, Frauen, das dritte Geschlecht und Menschen mit Behinderungen ein, etwa Sehbehinderte.

  • Vorteil: Texte mit Gender-Zeichen machen die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein des/der Autor:in deutlich. Sie sind eindeutig darin, alle gesellschaftlichen Gruppen gleichzubehandeln. Wichtig ist dies zum Beispiel bei Stellenanzeigen.
  • Nachteil: Für einige Gruppen ist es schwierig, die Gender-Zeichen richtig zu interpretieren. Längere Texte wirken aufgebläht, da nicht nur die Substantive, sondern auch die vorangehenden Artikel angepasst werden müssen.

Variante #2: Gendering mit Doppelnennungen

Doppelnennungen sind manchmal die einzige Möglichkeit, genderneutral zu texten, weil das Deutsche keine anderen Varianten bereithält. Doch die Ergebnisse können kurios ausfallen: Die Anrede für meine bevorzugten Kunden „Trainer, Berater und Coachs“ fällt ohnehin umfangreich aus. Die Form „Trainer und Trainerinnen, Berater und Beraterinnen, Coachs und Coach-Frauen“ schlägt dem Fass den Boden aus. Zudem bleibt das dritte Geschlecht ausgeschlossen.

  • Vorteil: Dazu fällt mir ehrlich nichts ein. Manchmal geht es nicht anders.
  • Nachteil: Bläht den Text auf. Macht ihn unleserlich.

Variante #3: Aneignung

Weshalb müssen wir das Geschlecht betonen? Macht eine Ärztin in Ausübung ihres Berufs etwas anderes als ein Arzt? Wie unterscheidet sich ein Trainer von einer Trainerin? Ein Ingenieur von einer Ingenieurin? Viele Rollen und Funktionen sind vom Geschlecht unabhängig. Die deutsche Sprache sieht für solche Fälle das „generische Maskulin“ vor. Allerdings zementiert die männliche Sprache das althergebrachte Weltbild.

Es gibt einen Fall, in dem es sich für Frauen empfiehlt, sich das Maskulin anzueignen: Es geht um die Suchbegriffe in den sozialen Medien, zum Beispiel bei Xing. Viele Kunden suchen einen „Texter“ oder „Trainer“, denken jedoch nicht an eine „Texterin“ oder „Beraterin“, sodass sich Frauen mit der weiblichen Form systematisch aus der Recherche ihrer möglichen Kunden ausschließen.

  • Vorteil: Geübt, gewohnt. Steht in Einklang mit der gelernten Grammatik.
  • Nachteil: Das maskuline Weltbild bleibt unhinterfragt.

Variante #4: Praktisch ohne Perfektionsanspruch

In meinen Texten versuchen ich den Ausgleich und gebe zum Beispiel Chefinnen und Ärztinnen den gleichen Raum wie ihren männlichen Kollegen. Bei der Uni München habe ich einen übersichtlichen Leitfaden für eine genderneutrale Sprache gefunden. Hier ist eine Auswahl aus den Empfehlungen:

Substantivierung von Verben

„Studentinnen und Studenten“ werden zu „Studierenden“.
„Mitarbeiter“ werden zu „Mitarbeitenden“.

Sprache: ++- O.K. Kann man machen.

Plural statt Singular

Der „Interessent“ wird zu „Interessierte“.
Der „Coaching-Klient“ wird zu „Coaching-Klienten“.

Sprache: +++ Passt. Geht in Ordnung.

Unpersönliche Pronomen

„Abteilungsleiter“ werden zu „alle, die Leitungsaufgaben übernehmen …“ oder „Wer Leitungsaufgaben übernimmt, …“.
Der „Coach“ wird zu „alle, die coachen …“ oder „Wer coacht, …“.

Sprache: +++ Passt.

Direkte Anrede

„Kunden haben die Wahl …“ wird zu „Sie haben die Wahl …“.

Sprache: +++ Sehr schön!

Verben statt Substantive

„Teilnehmer“ werden zu „alle, die teilgenommen haben …“.

Sprache: +++ Schön.

Adjektive

„Beratung durch den Arzt“ wird zur „ärztlichen Beratung“.

Sprache: ++- Von wem wird die ärztliche Beratung durchgeführt? Von einem Computer? Vorsicht: Diese Form kann unpersönlich wirken.

Neutrale Formen

„Assistentin“ wird zur „Assistenz“.

Sprache: ++- Auch hier geht der Mensch verloren.

Endungen mit –kraft, -person, -berechtigte, -ung, -hilfe

Der „Wähler“ wird zum „Wahlberechtigten“.
Der „Chef“ wird zur „Führungskraft“ oder zum „Entscheidungsberechtigten“.

Sprache: +– Schwierig: Vorsicht vor Behördendeutsch! Worte auf -ung, -heit und -keit lassen Texte unpersönlich und hölzern wirken.

Die pragmatische Herangehensweise ist keinesfalls perfekt. Als Autorin muss ich mir zu jeder Zeit der Gender-Frage bewusst sein und nach sprachlichen Lösungen suchen. Mit etwas Übung lassen sich Texte einigermaßen genderneutral gestalten, ohne die Lesefreundlichkeit zu verletzen.

  • Vorteil: Lesefreundlich
  • Nachteil: Unvollständig. Angreifbar bei Stellenanzeigen und anderen Texten, die einer juristischen Prüfung standhalten müssen. Manche genderneutralen Formen sind sprachlich unschön.

Weshalb mehr dazu gehört als eine korrekte Form

Das Bekenntnis zur Diversity liegt im Trend, wie mir eine HR-Insiderin bestätigte. Für Unternehmen ist das Bekenntnis zu Offenheit und Vielfalt unumgänglich, wollen sie sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Nicht immer stimmen allerdings öffentliches Statement und tatsächliches Denken überein. Gerade Stellenanzeigen sind in der Frage ziemlich verräterisch und die Differenz zwischen Sagen und Meinen zeigt Wirkung: Ist die genderneutrale Form eingehalten, fühlen sich noch längst nicht alle eingeladen.

Wie geht das? Auch direkt angesprochen, fühlen sich Frauen nicht angesprochen

Die Wirkung von Sprache in Stellenanzeigen hat Professorin Isabell M. Welpe in Zusammenarbeit mit Prisca Brosi und Tanja Schwarzmüller untersucht. Eines der Ergebnisse ist dieses: Von der klassischen Titel-Form „Geschäftsführer (m/w)“ fühlen sich Frauen weniger angesprochen als von der Beidnennung ‚Geschäftsführerin / Geschäftsführer‘.

Auch die Stellenbeschreibung im engeren Sinn entfaltet subtile Wirkung. Die Forscherinnen fanden Folgendes heraus: „Stellenausschreibungen, die männliche Attribute wie die Autonomie des Positionsinhabers herausstellen, ziehen eher Männer an – während Frauen auf weibliche Attribute wie eine teamorientierte Arbeitsweise stärker reagieren. In Stellenanzeigen sollte daher auf eine ausgeglichene Wortwahl geachtet werden.“

Texte transportieren das eigene Weltbild

Wer sich mit Texten beschäftigt, dürfte kaum überrascht sein. Schreiben ist Kommunikation, ebenso wie Sprechen. Wer einen Text publiziert, tut dies, um eine Botschaft zu transportieren. Doch zugleich erzählt er etwas von sich. Eine Stellenausschreibung, die männliche Attribute betont, kommuniziert, dass die Absender diese Attribute bei der erfolgreichen Ausübung der Position für wichtig erachten.

Das mag stimmen oder nicht. Wichtig für eine genderneutrale Sprache ist jedoch dies: Die innere Haltung und das Weltbild wirken. Eine offene, respektvolle, einschließende Haltung äußert sich auch in der Sprache. Deshalb kommt der Anspruch „gendergerechte Sprache“ nicht ohne die Frage nach dem Mindset aus.


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