Know-how verschenken, ohne den eigenen Wert zu demontieren
„Lass das mit den Freebies“, habe ich kürzlich gelesen. „Denn entweder löst du das Problem deines Kunden – dann gibt es nichts mehr zu verkaufen. Oder du löst es nicht – dann ist er unzufrieden.“
Der Satz klingt bestechend logisch. Er greift eine verbreitete Stimmung auf, wonach die Gratis-Kultur eine unselige Zeiterscheinung ist, die Trainern, Beratern und Coaches das Geschäft verdirbt. Schluss also mit dem Unfug: Leistung ist etwas wert und muss honoriert werden!
Doch Stopp!
Der Denkfehler liegt in der Annahme. Freebies sind nicht etwa dazu da, das Problem des Kunden zu lösen. Wer seine Kernleistung gratis unter die Menschheit bringt, ist sicher schlecht beraten. Doch welche Alternativen gibt es?
Das erwartet dich hier:
Drei Typen von Freebies
Die Kostprobe
Schau dir zum Beispiel das Angebot der Pink University an. Sie bietet eLearning-Kurse für Fach- und Führungskräfte an.
Interessenten können sich einen Testzugang freischalten lassen und sich einen Eindruck verschaffen: Sie erfahren etwas über die Qualität eines Kurses, die Aufbereitung, den Stil und die inhaltiche Tiefe.
Wenn sie alles erfahren wollen, müssen sie natürlich den ganzen Kurs buchen. Alles andere wäre ja dumm.
Die Kostprobe ist ein vertrautes Modell. Jeder von uns kennt es aus der Kosmetik oder von Nahrungsmitteln.
- Wenn du in Training, Beratung oder Coaching eine Kostprobe anbieten willst, musst du einen gut abgrenzbaren Teil deiner Arbeit auswählen und präsentieren. Im Zusammenhang mit (Standard-) Seminaren gelingt dies am leichtesten.
- Jenseits dessen finde ich es schwierig: Gerade im Coaching sind die Aufgaben komplex. Schnell gerät man in Versuchen, doch zu tief in das Gespräch einzusteigen oder bleibt umgekehrt zu sehr an der Oberfläche. Beides ist wenig befriedigend.
Über das Angebot hinausgehen
Bei „teachable“ kannst du eine andere Strategie beobachten. teachable ist eine Plattform für das Management und die Vermarktung von eLearning-Kursen. Die Firma lebt von dem Nutzungsentgelt, das ihre User an sie zahlen.
Auf dem Blog und in den Freebies schreibt teachable darüber, wie User ein eLearning-Geschäft aufbauen können: Welche Erfahrungswerte gibt es? Was sind die Erfolgskriterien? Wie kalkuliert man so etwas?
Die Strategie zielt darauf, Interessenten zu einem frühen Zeitpunkt an sich zu binden – wenn diese darüber nachdenken, ob ein eLearning-Kurs etwas für sie ist oder nicht. Wenn die Entscheidung gefallen ist, buchen sie – na klar – teachable. Denn die Plattformbetreiber haben sich bis dahin als unterstützend, kompetent und vertrauenswürdig bewiesen.
Eine vergleichbare Strategie lässt sich leicht auf Train-the-Trainer-Einrichtungen übertragen: In der Ausbildung lernen die Teilnehmer, wie sie ein Training oder Coaching aufsetzen – und dank der Kommunikation lernen sie, wie daraus ein profitables Geschäft wird.
Die Leitfrage hier lautet also: Was macht der Kunde, wenn er die Leistung gekauft hat?
Entscheidungsunterstützung
Noch ein alternatives Konzept ist dieses: Stellen wir uns vor, eine Person schläft dauerhaft schlecht. Viele Ursachen kommen in Frage: Computernutzung bis spät in die Nacht, Alkohol am Abend, eine schlechte Matratze und vieles andere mehr.
Für diese Person ist es gar nicht so leicht zu entscheiden, was sie jetzt tun soll. Ein Coach, der sich mit Schlafstörungen beschäftigt, könnte dieser Person eine Entscheidungsunterstützung in Form eines PDFs anbieten. Darin schreibt er zunächst über die „Hygienefaktoren“, also leichtes Essen am Abend, Routinen zum Einschlafen, ein gut gelüftetes Zimmer und so weiter.
Hilft das alles nicht, kommen emotionale oder organische Ursachen in Frage. Der Coach könnte in seinem Freebie auch darüber aufklären: Welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wer helfen kann – und wann seine Leistungen als Coach in Frage kommen. Anhand des Freebies kann der Interessent entscheiden, welchen Weg er gehen will.
Die Entscheidungsunterstützung ist ein aussichtsreicher Ansatz für Coachings, denn nach wie vor wissen viele Menschen nicht, was sie von einem Coaching erwarten dürfen.
Nur eine Auswahl
In der Praxis lassen sich noch viele weitere Varianten beobachten: Mit meinem eigenen Freebie versuche ich, ein unübersichtliches Thema zu strukturieren und eine gemeinsame Sprache zu schaffen – als Vorbereitung für eine Beratung oder die Teilnahme an einem Workshop.
All diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie das Entscheidungsproblem des Kunden lösen oder die Entscheidung unterstützen, nicht aber das Kernproblem vorwegnehmen. Das ist ein wichtiger Unterschied!
Weshalb mich die Frage umtreibt
Viele klassische Vermarktungswege sind ausgetreten. Telefonakquisiteure sprechen zum Beispiel offen darüber, dass sie in einigen Branchen nichts mehr bewirken können. 15 oder 20 Anrufe, um einen Entscheider zu erreichen, sind keine Seltenheit. Trainer, Berater und Coaches brauchen dringed Alternativen.
Content Marketing ist eine solche Alternative. Sie passt nicht zu jedem, aber zu vielen. Im Netz kursieren nun jede Menge Gerüchte und Halbverdautes um Blogartikel, Newsletters und Freebies. Sie versperren Trainern, Beratern und Coaches die Sicht auf eine Chance, die sie haben. Und dagegen habe ich etwas.
Welche Erfahrungen machst du mit Freebies? Schreib doch mal!

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Hallo Kerstin,
ein Freebie ist für mich ein wichtiger Schritt in Richtung Vertrauensaufbau. Eine Person hat ein Bedürfnis und ich habe einen Lösungsansatz zu bieten. Dieser Lösungsansatz ist EIN Schritt in Richtung tatsächlicher Lösung und weitere können folgen, wenn das Vertrauen gewonnen wurde, dass ich tatsächlich die gewünschte Lösung von A nach B „liefern“ kann.
Eine interessante Diskussion, die sich hier entfaltet :-))
Beste Grüße,
Beatrix
Herzlichen Dank für Deinen Hinweis, liebe Roswitha! Zu viel, zu gut gemeint kann womöglich am Kundenbedürfnis vorbei gehen. Kurz und knapp ist manchmal besser. Beste Grüsse, Kerstin
Danke für deine Sicht über die Sinnhaftigkeit von Freebies, liebe Kerstin.
Ich löse mit meinem Freebie ein Sicherheits-Problem meiner Leserinnen und Leser. Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass sich Menschen zwar eintragen und sich auch das Freebie abholen, es aber dann ungelesen auf der Festplatte verstaubt.
Aber geht es uns nicht allen so, dass wir an jeder Ecke tolle Freebies angeboten bekommen und meinen, das jetzt haben zu wollen. Und dann fehlt die Zeit, sich damit zu beschäftigen. Ich denke auch, dass mein Freebie zu umfangreich ist, eine einfache Checkliste wäre da sicher angebrachter. Darüber muss ich noch dnachdenken.
Herzliche Grüße aus Berlin von
Roswitha
Hallo Kerstin,
ja, Markus hat mit seinem Blogbeitrag zum Thema Freebie viel Wirbel verursacht – und das war ja genau seine Absicht.
Im Gegensatz zu seiner provokanten These (der er selbst zuwider handelt, aber das ist ein anderes Thema) gebe ich Dir und Deinen Argumenten völlig Recht.
Meine Freebies lösen Teilprobleme meiner Leser und haben diese nicht nur einmal zu Kunden gemacht.
Zauberhafte Grüße
Birgit
Ein toller Artikel, mit sehr guten Beispielen und Anregungen, vielen Dank! Ich finde es auch zu einfach zu sagen, „Freebies sind nichts mehr, lass sie weg.“ Ganz unabhängig vom Inhalt, bieten sie immer noch einen guten Aufhänger. Etwas, dass ich Leuten anbieten kann, statt sie einfach dazu aufzufordern, sich in meine E-Mail-Liste einzutragen. Die Schwierigkeit ist beim Inhalt ist sicherlich, die goldene Mitte zwischen Mehrwert und nicht zuviel kostenlos raus geben zu finden. Aber ich denke, eine sinnvolle Kostprobe zu geben, die Interesse auf mehr weckt, ist durchaus möglich und muss keinesfalls Kunden vertreiben. Ich habe übrigens vor einiger Zeit mein Freebie offline genommen, weil es nicht mehr passte, das Neue ist noch nicht fertig. Und ich kann sagen, es hilft meiner E-Mail-Liste nicht gerade. Ich denke, dass wir uns auch alle an die Gratis-Kultur gewöhnt haben, wir sind darauf trainiert, eine Gegenleistung für unsere Eintragung zu bekommen.
Liebe Kerstin Boll,
Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Freebies sind nicht dazu da, das Problem zu lösen. Zumindest nicht das Hauptproblem. Doch es gibt einzelne Abschnitte im Gesamtprozess des Kunden, wo ein Freebie sehr sinnvoll sein kann.
Allerdings hängt es auch vom konkreten Freebie ab. Damit das Freebie den gewünschten Zweck erfüllt, sind auch ein paar strategische Überlegungen anzustellen. Und natürlich kommt es auf die Art und Weise der Umsetzung an.
Herzliche Grüße
Monika Birkner